Visas – Engel mit Pinseln
Autorin + Bild: Dimdi (Modelkartei) vom 24. Januar 2015
Heute möchte ich euch etwas über Visagistinnen erzählen – aus meiner Sicht als Modell. Und weil das so ein langes Wort ist, nenne ich sie einfach mal „Visas“.
Visas sind meiner Meinung nach die Kräuterbutter der Fotografie. Also, mal vorausgesetzt, die Fotografie ist ein leckeres Stück Fleisch, ein Filet vielleicht. Und mal vorausgesetzt, ihr liebt Fleisch, wie ich es tue. Klar, man kann ein Filet auch ohne Kräuterbutter geniessen. Aber mit… das ist halt schon noch einmal etwas ganz anderes!
So, jetzt habe ich Hunger, bin vom Thema abgekommen und muss euch das wohl erstmal erklären.
Also, die Visas. Das sind meistens Damen, in einem einzigen Fall hatte ich bisher auch mit einem Herrn das Vergnügen.
Diese kreativen Menschen entscheiden sich irgendwann in ihrem Leben dazu, sich zum Visagisten oder zur Visagistin ausbilden zu lassen. Diese Ausbildung dauert eine ganze Weile, ist anstrengend, teuer, und hier in der Schweiz, wie ich erfahren durfte – grossartig.
Die Visas, die ich bisher kennenlernen durfte, waren ausnahmslos fachlich top – und auch sehr kreativ und engagiert.
Das muss man wohl in diesem Beruf sein: Kreativ, engagiert, flexibel, freundlich, eine hohe Sozialkompetenz ist sicher auch hilfreich, Geduld – und eine Prise Humor.
Verhältnismässig bescheiden winken die meisten ab, wenn ich ihre Künste bewundere – für mich, die ich mir selber grad mal knapp Wimperntusche selber auftragen kann, passiert noch immer jedes Mal ein kleines Wunder, wenn ich nach getaner Arbeit der Visas in den Spiegel blicke.
Und es bricht mir nach dem Shooting jedes Mal das Herz, wenn ich die Arbeit dann irgendwann „zerstören“ muss, auch wenn ich ja weiss, dass ich mein Bestes getan habe, die Kunstwerke vor der Kamera gebührend zu präsentieren und damit für die Ewigkeit festzuhalten.
Ich sehe mich selber als pflegeleichtes Modell – ich wasche meine Haare am Vorabend vor einem Shooting nicht mit einer Pflegespülung, die das Stylen danach praktisch verunmöglicht, ich zupfe meine Augenbrauen vor dem Shooting selber in Form und meine Haut ist ziemlich ebenmässig und problemlos. Das spart der Visa beim Schminken & Stylen Zeit, die wir selbstverständlich auch für kurze Gespräche nutzen. Da Visas – zumindest meiner Erfahrung nach – offene, liebenswerte Personen sind, kommunikativ (mal mehr, mal weniger) und neugierig, sind das für mich meistens sehr erfreuliche Begegnungen. Diese Gespräche zu verfolgen muss als Aussenstehender wahnsinnig witzig sein – sind wir doch beide auch darauf aus, parallel genau den Teil zu verzaubern, der während des Gesprächs ständig in Bewegung ist und eben nicht sollte: Das Gesicht.
Während wir uns unterhalten, versuche ich als Modell, meine Mimik im Griff zu haben, wenn die Visa grad mit Pinsel, Schwamm oder Stift in Kontakt mit meiner Haut ist.
Wenn Sie an den Augen arbeitet, schaue ich auf ihren Befehl hin mal nach oben, mal nach unten, mal auf ihre Nase oder auf ihren Gürtel. Ich mache ein Fischmäulchen, wenn die Visa meine Wangen betont oder lache auf Befehl, wenn das Rouge aufgetragen wird.
Habt ihr schon mal versucht, gleichzeitig stillzuhalten, die Lippen anzuspannen und euch zu unterhalten?
Eine logistische Herausforderung, da lernt man mal, wie viele Muskeln man so hat im Gesicht und wie man die bestmöglich einsetzt!
Und währenddessen plätschert weiter das Gespräch, durchsetzt von kurzen Anweisungen, Fragen und Befehlen, und die Visa tut ihre strenge Arbeit und ich tue meine – ich sitze brav da.
Wie so etwas im Schnelldurchlauf ausschauen kann, seht ihr hier:
https://www.youtube.com/watch?v=Fn2KhuDlzZE
https://www.youtube.com/watch?v=Bkt_Z2w24KE
So lerne ich die meisten Visas dann auch etwas besser kennen, erfahre etwas über ihr Leben als Visa, ihre Erfahrungen, ihre Prioritäten und meist auch Informationsfetzen über ihr Privatleben.
Während einige Visas sehr geschäftstüchtig sind und versuchen Aloha enterprise 8080 , auch oft an Modeschauen und bezahlten Shootings zu arbeiten, sind andere schon happy, wenn sie ab und an an einem TFP-Shooting mitwirken können. Die einen haben Freunde oder Männer, die fotografieren und sind so zum Beruf gekommen, die andere durch Freundinnen, wieder andere waren ursprünglich Frisösinnen und wollten sich weiter entwickeln. Es soll sogar welche geben, die im bürgerlichen Leben im Büro arbeiten – in der Baubranche, wohlgemerkt!
Gespannt frage ich auch alle über ihre schönsten und schlimmsten Erfahrungen als Visas aus – und höre so die spannendsten Geschichten. Über andere Visas und Modelle, die an Modeschauen wie die Raben klauen: Schminkutensilien, ganze Pinselsets und sogar einen Ehering. Über Fotografen oder Modelle, die nach der getanen Arbeit der Visa alles wieder abwischen oder abwischen liessen. „So schminke ich mich aber normalerweise nicht!“
Über die Bettelei nach bearbeiteten Bildern, die Visas genau so zu treffen scheint, wie Modelle… und leider auch immer wieder über ins-Wasser-gefallene, kurzfristig abgesagte Shootings, wo Visas und Fotografen zum geplanten Termin ohne Modell im gebuchten Studio sassen.
Obwohl alle Visas, die ich kennenlernen durfte, wunderschöne Menschen sind, wagen sich nur wenige selber vor die Kamera. Schade eigentlich!
Eine Visa, die ich ganz besonders bewundere, nahm einfach irgendwann selber die Kamera zur Hand und begann zu fotografieren – sie ist eine wunderbare Fotografin und vielleicht sollten sich noch viel mehr Visas trauen, diesen Schritt zu gehen – ein grossartiges Verständnis für Farben & Formen haben sie ja sowieso und den Umgang mit Modellen sind sie gewohnt – wenn also auch noch das technische Verständnis da ist…
Obwohl man es vielleicht denken könnte, sind die meisten Visas, die ich kennenlernen durfte, sehr natürliche Menschen. Sie schminken sich selber kaum oder gar nicht, obwohl sie das Handwerk dazu beherrschen, und sie sind, bis auf eine Ausnahme, absolut nicht oberflächlich! Im Gegenteil.
Der Mensch hinter der Fassade ist ihnen wichtig, sie geben sich Mühe, auf die Modelle einzugehen, sie freuen sich von Herzen, wenn dem Modell das Makeup gefällt – und sie denken auch an Dinge wie Trinkhalme und Makeup-Auffrischungs-Tipps oder Abschminktücher, wenn sie das Set mal früher verlassen müssen.
Wenn kein hoher Stuhl vorhanden ist, arbeiten sie oft über eine Stunde lang in einer anstrengenden, gebückten Haltung, oftmals auch in schlechtem Licht und an den unmöglichsten Orten – ich wurde sogar schon in Auto-Kofferräumen und auf Holzbänken wundervoll geschminkt!
Aber warum ist eine Visa denn überhaupt nötig, fragt ihr euch, wo doch heute so viel mit Bildbearbeitungsprogrammen gemacht werden kann?
Eine Visa ist, wie bereits in meiner Einleitung geschrieben, das Sahnehäubchen auf der Shootingtorte.
Werden Fotos mit einem guten Fotografen toll, so werden sie mit einem guten Fotografen UND einer guten Visa zauberhaft!
Die Visa erspart dem Fotografen viel Bearbeitungszeit, indem sie zum Beispiel Augenringe überschminkt, kleine Augen grösser scheinen und leuchten lässt, schmale Lippen auffüllt und wichtige Gesichtspartien betont oder eben so schminkt, dass sie vorteilhaft wirken.
Sie holt das Beste aus den Modellen raus und erspart es dem Fotografen, die Gesichter nach dem Shooting in Photoshop „glattbügeln“ zu müssen, so, dass der „Puppeneffekt“ negativ hervorsticht, die Modelle also flach und charakterlos erscheinen.
Gute Visas können nicht nur das Gesicht toll bearbeiten, sie können auch die Haare frisieren puttygen download , Narben überschminken – falls gewünscht, und, falls sie auch noch die Weiterbildung zur Maskenbildnerin gemacht haben können sie sogar neue Narben, Brandblasen und Wunden schminken.
Gute Visas sind wahnsinnig stolz auf ihre Makeups, sie freuen sich aufrichtig über ein ernst gemeintes „Danke“ von Fotograf und Modell und über die Wertschätzung ihrer wichtigen Arbeit.
Viele der Visas, die ich in meiner bisherigen Laufbahn als Modell kennenlernen durfte, sind inzwischen fester Bestandteil meines Lebens geworden, sie schauen mal auf einen Kaffee vorbei, wir tauschen Rezepte aus oder sie fragen mich nach meiner Meinung bei der Auswahl von Bildern oder nach meinen Erfahrungen mit bestimmten Fotografen.
Obwohl Modelle ganz schön biestig sein können, wie ich hören durfte, habe ich noch nie eine Visa erlebt, die eine dieser zickigen Modelle deswegen schlecht oder nicht geschminkt hätte – auch wieder ein Punkt, der mir die Damen so sympathisch macht!
Darum möchte ich mich hier mal wieder bei euch lieben Visa-Schätzen bedanken: Ohne euch wären einige meiner tollsten Fotos wohl niemals entstanden und ich danke euch von Herzen für eure Zeit, eure Kreativität und euer Engagement!
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